Leaky Gut – Gesund oder krank? Die Entscheidung fällt oft im Darm

von | 30 Apr 2021 | 0 Kommentare

Leaky Gut – Wenn der „löchrige“ Darm zum Problem wird 

Chronische Gelenk- und Muskelschmerzen, Konzentrationsstörungen, Blähungen, Migräne, Akne, Stimmungsschwankungen bis hin zu Depression, immer wiederkehrende Harnwegsinfekte, chronische Müdigkeit, schwaches Immunsystem, Nahrungsmittelunverträglichkeiten….

Die Liste der möglichen Symptome bei einem undichten Darm – einem Leaky Gut Syndrom- scheint ewig lang und für viele ist es immer wieder überraschend, welche Auswirkungen auf unseren Körper ein kranker Darm haben kann.

Was genau bedeutet Leaky Gut Syndrom? Wieso hat das so weitreichende Folgen für unsere Gesundheit und Wohlbefinden? Wie wird der undichte Darm diagnostiziert?

Wenn Patienten mit den Krankheiten, die ich in der Einleitung genannt habe, zu mir kommen, sind sie häufig sehr überrascht, wenn ich ihnen sage, dass wir mit einer Stuhldiagnostik und Darm-Behandlung beginnen. Bisher hatten sie ihre Symptome nicht mit dem Darm in Verbindung gebracht und wären häufig nicht auf die Idee gekommen, etwas für ihre Verdauung zu tun. Dabei lässt sich der Darm meistens gut behandeln, wenn man erstmal weiß, was mit ihm los ist. Sobald sich der Darm erholt hat und wieder im Gleichgewicht ist, kann sich auch die daraus entstandene Krankheit bessern.

Heute soll es um einen Aspekt der Darm-Symptomatiken gehen, die immer mehr zunimmt: Das Leaky Gut Syndrom – der löchrige Darm

 

Was bedeutet es, wenn der Darm undicht ist?

Alles was sich im Verdauungstrakt befindet, ist strenggenommen noch nicht in unserem Körper. Hört sich verrückt an, ich weiß. Ist aber so. Die Darmschleimhaut ist die Barriere zwischen dem Darminhalt – dem Außen- und dem Blutkreislauf -dem Inneren des Körpers. Sie filtert, was in den Körper aufgenommen und was über den Stuhl wieder ausgeschieden wird. Wenn die Darmschleimhaut intakt ist, lässt sie nur Wasser und Nährstoffe in den Blutkreislauf.

Beim Leaky Gut Syndrom ist das anders. Die Darmschleimhaut weist plötzlich Lücken auf. Und so gelangen auf einmal z.B. Giftstoffe, Pilze oder unvollständig verdaute Nahrungsbestandteile in das innere des Körpers, in den Blutkreislauf.

Das lässt unser Immunsystem Alarmschlagen und eine Kaskade an Immunreaktionen wird gestartet: es werden Entzündungsstoffe ausgeschüttet und Antikörper gegen die Fremdstoffe gebildet. So beginnen häufig Allergien.

Leider ist das noch nicht alles: Die eingedrungenen Fremdstoffe ähneln manchmal körpereigenen Strukturen. So kann es zu Verwechslungen kommen und das Immunsystem greift plötzlich auch körpereigenes Gewebe an.

Dann ist eine Autoimmunerkrankung geboren. Dazu zählen z.B. Rheumatoide Arthritis oder auch die Hashimoto Thyreoiditis, eine chronische Schilddrüsenentzündung uvw.

Weitere Folgen des Leaky Gut Syndrom können sein Rheuma, Schuppenflechte, Neurodermitis, chronisches Müdigkeitssyndrom, Diabetes Typ 1, Multiple Sklerose, Herzkrankheiten, Migräne und Kopfschmerzen, selbst Autismus und Parkinson wird mit Darm-Problemen in Verbindung gebracht. Wenn du dazu nähere Informationen wissen möchtest, hier eine Übersicht einzelner Studien:

 

Du siehst: es gibt wirklich gute Gründe sich um die Darmgesundheit zu kümmern. Auch präventiv.

Kommen wir zu der Frage: Wie entsteht ein Leaky Gut? Wieso wird die Darmschleimhaut undicht?

 

Um verstehen zu können, welche Einflüsse die Darmbarriere schädigen, treten wir nochmal gedanklich einen Schritt zurück und schauen uns an, wie die Darmschleimhaut aufgebaut ist.

 

Aufbau der Darmschleimhaut 

3 unterschiedliche Schichten verhindern normalerweise, dass Schadstoffe, Bakterien oder unverdaute Nahrungsbestandteile vom Darminneren in das Innere des Körpers, den Blutkreislauf, gelangen.

 

  1. Die Schleimschicht

Die äußere Schleimschicht -Mucosa-Schleim, mucus- lässt viele Schadstoffe direkt abperlen, so dass sie gar nicht erst in die tieferen Schichten der Darmschleimhaut gelangen. 

Hier wirkt auch ein spezieller Antikörper, das sekretorische Immunglobulin A – kurz gesagt sIgA-, das in speziellen Zellen der Darmschleimhaut gebildet wird. Es gehört zum Immunsystem und bindet Schad- und Giftstoffe im Darminneren. Sobald das sIgA etwas gebunden hat, wird es mit dem Stuhl ausgeschieden.

Daher ist das sIga ein prima Marker für ein gut funktionierendes Darm-Immunsystem: Je besser der Darm mit sIgA versorgt ist, desto stärker ist das Immunsystem und umso weniger Schadstoffe gelangen in den Blutkreislauf.

 

  1. Die Darmflora

Die Schleimschicht ist das Zuhause unserer Darmbakterien, die übrigen uns mit 100 Billionen, in einer deutlich höheren Anzahl vorhanden sind, als wir körpereigene Zellen haben. Die Darmflora macht ca. 1-2 Kilogramm von deinem Körpergewicht aus. Wahnsinn, oder?  

Die Darmbakterien haben eine Unzahl an Aufgaben. Ich möchte hier nur die wichtigsten nennen:

– sie versorgen die Darmschleimhautzellen mit Nährstoffen, den kurzkettigen Fettsäuren, die sie selbst produzieren

– sie trainieren dein Immunsystem

– sie verdrängen schädliche Bakterien und Pilze und schützen damit auch die Schleimhaut

 

 

  1. Die Darmschleimhaut

Die Darmschleimhaut besteht aus Schleimhautzellen, die über die sogenannten Tight junctions verbunden sind. Bei der Nahrungsaufnahme wird die Durchlässigkeit dieser Tight junctions geregelt. So dass keine Schadstoffe in den Blutkreislauf gelangen können.

 

Zurück zum Leaky Gut Syndrom…Wie sehen die eben genannten Schutzschichten dabei aus?

– Die Schleimschicht wird immer dünner und damit ist auch die Menge an sIgA reduziert. Was wiederum zur Folge hat, dass weniger Schadstoffe gebunden werden können. Die Schleimschicht wird verstärkt angegriffen.

– Die Darmflora ist gestört und produziert weniger Nährstoffe für die Darmzellen, die Enterozyten. Ausserdem können sich leichter schädliche Bakterien und Pilze ansiedeln.

– Die Tight junction funktionieren nicht mehr so, wie sie sollten. Damit wird der Darm undicht. Zusätzlich kommt es dadurch zu Entzündungen, die die Durchlässigkeit weiter erhöhen. Ein Teufelskreis!

 

Wie kommt es dazu?

 

Leaky Gut – Die Ursachen

 

Kurz gesagt: alles was die Schleimschicht zerstört, das sIga reduziert, die Darmflora schädigt und die Darmschleimhaut angreift, kann einen undichten Darm entstehen lassen.

Leider kommt da vieles in Frage ☹ 

Angefangen bei falscher Ernährung, Alkohol, Medikamenten (allen voran Antibiotika oder Cortison), Stress und Vitamin- und Nährstoffmängel, Darminfektionen und Nahrungsmittleunverträglichkeiten.

Wie immer gilt es individuell zu schauen, welche Ursachen im Einzelfall vorliegen und diese dann abzustellen. Sonst ist es, wie wenn man versucht ein Feuer zu löschen, während man gleichzeitig immer wieder Öl nachkippt. Nicht besonders sinnvoll, nicht wahr?

 

Schauen wir uns einige der Ursachen genauer an:

 

Falsche Ernährung – Was heißt das?

Einfach gesagt:

Viel Zucker und einfache Kohlenhydrate, wie weisser Reis, Getreide, Brot, Nudeln und gleichzeitig wenig Ballaststoffe und Gemüse. Häufig wird das noch kombiniert mit viel Wurst und Milchprodukten.

Das alles kann einen Leaky Gut fördern und öffnet im Tür und Tor.

 

Alkohol gesund für den Darm?

Natürlich nicht 😉

Regelmäßiger Alkoholkonsum wirkt sich schädigen auf die Darmbarrieren aus (1978, Worthington et al.). Eine Studie (Fachjournal Lancet wurde 1984) zeigt, dass es mindestens 2 alkoholfreie Wochen braucht, bis die Regeneration der alkoholbedingten Darmschleimhautschäden einsetzt. Bei kürzeren alkoholfreien Pausen bleiben die Schäden bestehen. 

 

Leaky Gut durch Medikamente 

Vor allem Antibiotika-Behandlungen haben einen negativen Einfluss auf die Darmflora. Sie töten nicht nur schädliche Bakterien ab, sondern auch unsere guten Darmbakterien. Wenn diese schützenden Bakterien reduziert sind, können sich z.B. Pilze, wie Candida leichter ansiedeln und stark vermehren. Candida verdrängt dann nicht nur immer weiter die „guten“ Bakterien, sondern gibt auch noch Pilztoxine ab, die die Darmschleimhaut weiter schädigen. 

Auch Schmerzmittel, wie ASS, Ibuprofen oder Diclofenac und einen Langzeiteinnahme von Cortison kann die Magen- und Darmschleimhäute schädigen. Und damit ein Leaky Gut fördern. 

 

Stress – ein weiterer wichtiger Faktor bei Leaky Gut 

Stress hat großen Einfluß auf unsere Darmgesundheit. Der Verdauungstrakt wird schlechter durchblutet, damit verlängert sich die Verweildauer der Nahrung im Darm, das Immunsystem wird bei Dauerstress runtergefahren usw. Hier kannst du mehr darüber lesen „Wieso Stress uns krank macht“.

In stressigen Phasen greift man eventuell auch vermehrt zu Süßigkeiten, Alkohol oder Medikamenten, was wiederum einen negativen Einfluß auf die Darmschleimhaut hat.  Daher können stressige Phasen, wie Probleme in der Beziehung, Todesfälle, Mobbing bei der Arbeit oder Angstzustände sich körperlich als Leaky Gut Syndrom zeigen. Mit den entsprechenden körperlichen Auswirkungen.

 

Leaky Gut durch Vitamin-, Mineralien und Spurenelemente-Mangel

Die Enterozyten, die Darmschleimhautzellen, benötigen wie alle Zellen in unserem Körper, bestimmte Nährstoffe um funktions- und leistungsfähig zu bleiben.  Zink z.B. ist für die Regeneration und Heilung der Darmschleimhaut erforderlich. Wenn es fehlt, kann sich die Darmschleimhaut schlecht erholen und ein undichter Darm wird begünstigt. 

 

Ok, das war ein kleiner Einblick in mögliche Ursachen….wie wird ein Leaky Gut überhaupt diagnostiziert?

 

Leaky Gut – Die Diagnose

Ich stelle in meiner Praxis die Diagnose „Leaky gut“ anhand von Stuhl-Untersuchungen. Dazu gehören z.B. die Werte:

 

Enterosan sIgA und Alpha 1-Antitrypsin

 

Alpha-1-Antitrypsin 

Alpha-1-Antitrypsin weist auf eine Entzündung an der Darmschleimhaut hin, es ist aber oft auch ein sicherer Indikator für eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut.

 

Sekretorisches IgA

sIgA kann durch einen Immundefekt erniedrigt vorliegen bis fehlen, zeigt aber auch bei Zöliakie-Patienten niedrige Werte. Liegt gesichert kein Im-mundefekt vor, ist ein geringes sIgA immer ein Zeichen für einen nicht regulär funktionstüchtigen Darm und eine erhöhte Schleimhautperme-abilität.

 

Histamin

Histamin zeigt an, ob Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Pseudoallergien oder parasitäre Infekte vorliegen. Die Histaminausscheidung im Stuhl ist auch erhöht bei Stresseinwirkung.

 

Zu einer Stuhldiagnostik gehören noch weitere, wichtige Werte, die jetzt hier einfach zu weit führen würden.

 

Was du tun kannst, wenn bei dir ein Leaky Gut diagnostiziert wurde oder du den Verdacht darauf hast.

Wie du deine Schleimhaut schützen kannst, den Aufbau der Darmflora und die Regeneration der Darmschleimhaut unterstützen kannst.

Und welche Möglichkeiten es gibt eine Darmentzündung zu behandeln.  Darum wird es in den nächsten Podcast-Folgen gehen. Bis dahin wünsche ich dir eine gute Woche.

 

 

 

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